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«Einer Provenienzforscherin wird Diskretion über die erlangten Kenntnisse abverlangt» – Interview mit Nikola Doll

Dr. Nikola Doll, Leiterin Provenienzforschung Kunstmuseum Bern, ist eine von drei Referentinnen der Veranstaltung «Raubkunst im Nachlass – Drei Perspektiven» am 27. Februar, 18:30 Uhr, in Zürich. Zum Progamm.

Bild: © Monika Flückiger

 

Frau Doll, jemand kommt mit einem Altmeistergemälde zu Ihnen, das er vor kurzem geerbt hat, und bittet Sie, die Provenienz abzuklären. Welches sind Ihre ersten Abklärungshandlungen?

Diesen Service bietet das Kunstmuseum Bern ja nicht an. Zunächst würde man ein ausführliches Gespräch mit den Besitzern führen und sich dann das Gemälde auf mögliche Provenienzhinweise und Spuren materieller Veränderungen ansehen: Finden sich Etiketten, Aufkleber oder Beschriftungen auf der Rückseite, ist das Werk durch Eingriffe von Dritten signifikant verändert worden etc.?

 

Welches sind die Besonderheiten der Provenienzrecherche in Nachlasssituationen?

Wenn es um die Frage nach dem rechtmässigen Besitz von Kunstwerken geht, besteht oft der Eindruck, als öffne sich die Büchse der Pandora und all die Schlechtigkeiten der Vergangenheit strömten heraus. Diese Möglichkeit besteht. Deswegen ist ein vertraulicher Rahmen notwendig, der auch persönliche Unterlagen der Forschung zugänglich macht, aber auch der Provenienzforscherin Diskretion über die erlangten Kenntnisse abverlangt.

 

Wieso braucht es Provenienzforschung?

Asymmetrische Machtverhältnisse bedingen permanente Verlagerungen von Kunstwerken. Dazu zählen der Raub als auch unfreiwillige Veräusserungen. Eine Kollegin hat die verschiedenen, guten Gründe in zehn Punkten skizziert. Davon seien an dieser Stelle nur die folgenden genannt: Die Kenntnis von Vorbesitzern und Erwerbungszusammenhängen schafft eine bessere Ausgangslage beim Kauf oder Verkauf eines Werks sowie im internationalen Leihverkehr. Sie verschafft Handlungsfähigkeit im Umgang mit Raubkunst und trägt so zum Schutz des Eigentums bei.

 

Zum Abschluss: Wie kam es, dass Sie Provenienzforscherin wurden?

Bei meiner Dissertation spielte die Sammlung von Hermann Göring eine Rolle und damit auch ihre Entstehungsgeschichte während des Nationalsozialismus. Während des Volontariats Ende der 1990er Jahre war ich dann mit anderen Kunstwerken konfrontiert, deren Erwerbungskontexte in den Jahren 1933 bis 1945 ungeklärt waren.

 

Die Fragen stellte Florian Schmidt-Gabain, Präsident des Zentrums für künstlerische Nachlässe

Nikola Doll ist eine von drei Referentinnen der Veranstaltung «Raubkunst im Nachlass – Drei Perspektiven» am 27. Februar, 18:30 Uhr, in Zürich. Zum Progamm.

 

11. Februar 2020