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«Aber Ihre Erben!» – «Mir egal.»
Interview mit dem Präsidenten des ZKN, Florian Schmidt-Gabain
Herr Schmidt-Gabain, wozu braucht es ein Zentrum für künstlerische Nachlässe (ZKN)?
Nachlässe der Bereiche Kunst, Musik und Literatur stellen sowohl an den künftigen Erblasser als auch an die Erben spezifische Herausforderungen. Nehmen Sie z.B. die Frage, was mit Werken geschieht, die zum Todeszeitpunkt unveröffentlicht sind: Sollen sie unveröffentlicht bleiben? Oder soll man sie posthum publizieren? Wen will man darüber entscheiden lassen? Und nach welchen Kriterien? Wenn man sich für die Veröffentlichung entscheidet: Wann, bei wem und zu welchen (monetären) Konditionen soll sie erfolgen? Die Antworten auf diese Fragen sind weder für den Urheber des Werks noch für seine Erben einfach. Denn beiden fehlt dazu meist die Erfahrung. Von dieser Welt gehen, tut man nur einmal, und Werke erben oft ebenfalls. Hier kommt nun das ZKN ins Spiel: Es will Wissen und Erfahrungen rund um Fragen künstlerischer Nachlässe sammeln und bündeln, sodass Orientierungshilfen für Entscheidungen entstehen. In meiner Praxis als Rechtsanwalt sehe ich regelmässig, dass gerade im Bereich der künstlerischen Nachlässe der Orientierungsbedarf besonders gross ist.
Wie geht das ZKN bei diesem Sammeln und Bündeln vor, oder anders ausgedrückt: Was sind die Tätigkeitsfelder des ZKN?
Das Haupttätigkeitsfeld des ZKN ist die Organisation von Veranstaltungen. Indem das ZKN Veranstaltungen durchführt, gibt es Personen, die mit künstlerischen Nachlässen in Berührung stehen, die Möglichkeit, sich vorausschauend mit Nachlassproblemen auseinanderzusetzen, oder, wenn ich eine Stufe früher einsetzen will, die Möglichkeit, Nachlassprobleme überhaupt als solche zu erkennen. Die Veranstaltungen sind dabei sehr unterschiedlicher Natur. Es wird weitgefächerte Tagungen wie z.B. die Eröffnungskonferenz geben, mit denen wir ein breites Publikum erreichen und einen Dialog unter den verschiedenen künstlerischen Disziplinen stiften wollen. Es wird aber auch Veranstaltungen geben, die sich auf ein spezielles Thema oder eine spezielle Zielgruppe fokussieren. So sind für das erste Halbjahr 2020 ein Vortrag zum Thema «Raubkunst im Nachlass» und ein Workshop zur «Nachlassplanung für Musiker» vorgesehen. Mittelfristig will das ZKN neben Veranstaltungen auch eigene Forschungsprojekte lancieren und Zusammenarbeiten mit Universitäten und Kunsthochschulen eingehen.
Sie haben das Publikum erwähnt. An wen richtet sich das ZKN?
Allgemein gesagt: Das ZKN richtet sich an alle, die in irgendeiner Weise mit künstlerischen Nachlässen in Berührung kommen. In erster Linie sind das die bereits erwähnten zukünftigen Erblasser, also Sammler, Künstlerinnen, Musiker, Komponistinnen, Schriftsteller, Dramatikerinnen etc. – und natürlich deren Erben. Weiter richtet sich das ZKN auch an Personen, die «mittelbar» mit künstlerischen Nachlässen verbunden sind: Galerien, Kunsthändler, Museen, Konservatoren, Plattenlabels, Verlage, Konzerthäuser, Archive etc. Nicht vergessen darf ich selbstverständlich die Rechtsanwälte, zu denen ich ja selbst gehöre. Freuen würde ich mich auch über Interesse am ZKN seitens der Kunst-, Musik- und LiteraturwissenschaftlerInnen.
Es wird aber auch Personen geben, deren Interesse das ZKN nicht wecken kann. Die Figur des Schriftstellers Wolfgang Schwitter aus dem Stück «Der Meteor» von Dürrenmatt würde dazu gehören – verbrennt er doch, auf dem Sterbebett liegend, seine Manuskripte und seine Barschaft im Wert von stolzen anderthalb Millionen Franken in einem Ofen. Auf den entsetzten Ausruf eines Pfarrers: «Aber Ihre Erben!» erwidert Schwitter nur: «Mir egal.» Auch das ist eine Nachlassstrategie, die allerdings nicht im Fokus des ZKN stehen wird.
Die Fragen stellte Thomas Strässle, Vizepräsident des ZKN.
Zu «Hilma af Klint – Pionierin der Abstraktion»
3. October 2019